Das Problem mit Hochbordradwegen
Wenn von Radwegen die Rede ist, geht es in Deutschland meist um einen ganz bestimmten Typ Radweg: Den Hochbordradweg, seit Jahrzehnten das kaum hinterfragte Standardmodell. Er ist in den Bürgersteig integriert und liegt auf gleicher Höhe mit dem Gehweg. Selbst in neuwertigem Zustand hat diese Bauweise jedoch zwei entscheidende Nachteile:
- mangels wirksamer Trennung gibt es Konflikte mit Fußgängern
- durch die an jeder Verknüpfung mit der Fahrbahn notwendigen Rampen wird Radfahren zur oft holprigen Berg- und Talfahrt.
Zu den Forderungen zahlreicher Radentscheide gehört die nach einer wirksamen baulichen Trennung zwischen zu Fuß gehenden, Radfahrenden und Kfz. Auch Kindern und nicht so wagemutigen Menschen soll sicheres Radfahren ermöglicht werden. Dazu kommt der Wunsch nach mehr Breite (meist 2,30 m), sodass man auch nebeneinander fahren oder überholen kann, und Kontinuität bzw. Durchgängigkeit. Wird fordern dies in Ziel 3. Es hat den Anschein als kristallisiere sich durch Radentscheide der Wunsch nach Radverkehrsanlagen heraus, die es in Deutschland bisher kaum gibt.
Nun stellt sich die Frage, wie diese Radentscheid-konformen Radverkehrsanlagen aussehen können. Klassische Hochbordradwege jedenfalls sind damit nicht gemeint.
Die Lösung: Echte “Radfahrbahnen” schaffen
Das Ziel sollte sein, die ständige Berg- und Talfahrt auf Radwegen zu beenden. Gerade im Innenstadtbereich werden Hochbordradwege alle hundert Meter an Kreuzungen durch Rampen und Gossen unterbrochen. Auch wenn man an Zufahrten und Einmündungen den Radweg höhengleich mit Rampensteinen (für Autos) fortführt, bleibt die Problematik an Kreuzungen bestehen. Moderne Hochdruckreifen und fehlende Federung machen sogar “Nullabsenkungen” spürbar.
Radwege auf Fahrbahnniveau absenken – und der Fahrkomfort steigt
Die Lösung liegt auf der Hand: Der Radweg wird auf ganzer Länge dem Höhenniveau der Fahrbahn angenähert und somit zur Parallelfahrbahn zwischen Gehweg und Fahrbahn (siehe oben, “Radweg 2.0”). Dies ist ein großer Schritt auf dem Weg zu einem einladenden Fahrkomfort, der dem lückenlosen, ebenen Asphaltteppich für Autos endlich gleichkommt. Eine durchgehende Absenkung der Radwege Richtung Fahrbahnniveau entfaltet Vorteile für Radfahrende, Fußgehende und für den Verkehr zuständigen Behörden:
- Vorfahrt von straßenbegleitenden Radwegen wird visuell verdeutlicht
- Geisterfahrer-Anteil könnte sinken (Vermutung aus UdV-Forschungsbericht Nr. 29 S. 90)
- Anrampungen an Kreuzungen entfallen bzw. können sanfter ausgeführt werden
- Anlage von durchgehenden, ebenen Radwegen wird vereinfacht
- Radfahrende fahren nicht mehr unachtsam auf den Gehweg
- Fußgängern meiden den Radweg
- der Radweg wird als echte Fahrbahn wahrgenommen, das Radverkehrsnetz als eigenes System neben Bürgersteig und Kfz-Fahrbahn
- mehr Fahrspaß
Damit Radfahrbahnen bei Regen jedoch nicht zu Kanälen werden, muss die Entwässerung gesichert sein. Ist sie das nicht, müssen andere Lösungen gefunden werden.
Wichtig ist zudem, Bordsteine zu verbauen, die bei Reifenkontakt nicht gleich zum Sturz führen. Abgeflachte Bordsteine sind fehlerverzeihend und können das Fahrrad zurück in die Spur führen.
Wie kann man Rad- und Fußverkehr besser trennen?
Heute werden Radwege in Braunschweig in Braunschweig nur durch einen versenkten Betonstein (Tiefbord) von Gehwegen getrennt, während man früher zumindest gemustere, ertastbare Trennsteine verlegt hat. Doch auch die sind einfach, fast unmerklich, überlauf- und überfahrbar. Wichtig ist, dass baulich getrennte Radverkehrsanlagen breit genug zum Überholen und nebeneinander Fahren sind – insbesondere, der Radweg auf beiden Seiten durch Bordsteine begrenzt wird.
Foto mit freundlicher Genehmigung der “Cycling Embassy of Great Britain“
Eine wirksamere bauliche Trennung mit Höhenversatz ist ERA-konform möglich (ERA: Empfehlungen für Radverkehrsanlagen). Das ist wichtig für Städte, die gleichzeitig an die ERA und einen Radentscheid gebunden sind (Braunschweig will sich nach einem Ratsbeschluss von 2012 an den ERA orientieren, in einigen Bundesländern sind sie verbindlich). Wenngleich sich die ERA grundsätzlich mit ebenerdigen Begrenzungsstreifen von 30cm Breite zufrieden geben, heißt es dort:
“Bei Radwegen mit größeren Breiten als die [ERA-]Regelbreite von 2,00 m kann zwischen Rad- und Gehweg auch ein tastbarer, niedriger Bord angelegt werden, bei größeren Verfügbaren Flächen auch ein Grünstreifen. Eine Abgrenzung mit überfahrbaren Schrägborden kommt in Frage, wenn deren Ausführung den Anforderungen nach Tastbarkeit und visueller Erkennbarkeit entspricht.”
Empfehlungen für Radverkehrsanlagen 2010 der FGSV, Kapitel 11.1.5
Abgeflachte Bordsteine werden von mehreren niederländischen Anbietern unter dem Stichwort “Rijwielpadband” angeboten. Sehr ähnlich sind auch in Deutschland angebotene F7-Flachbordsteine.
Quelle: Philip Böhme, CC0 1.0
Wie kann man Rad- und Kfz-Verkehr auf Fahrbahnniveau trennen?
Neben obigen Beispielen gibt es weitere Möglichkeiten, rampenarme Radwege vom Kfz-Verkehr baulich zu trennen und so dem Sicherheitsbedürfnis der meisten Radfahrenden entgegenzukommen. Gute Sichtbarkeit ist dabei für die tatsächliche Sicherheit essenziell.
Unabhängig davon, ob man die Infrastruktur nun Radweg oder Protected Bike Lane nennt, lohnt ein Blick darauf, welche Beispiele es bisher für die Trennung von Radfahrbahn und Kfz-Fahrbahn gibt.
Bordsteininseln
Quelle: Gero Schorch, https://twitter.com/doktor_hammer
Quelle: Barrylb, Wikimedia, Public Domain
Poller
Quelle: Philipp Böhme, CC0 1.0
Pflanzkübel
Quelle: Verena Engel, CC0 1.0
Bordsteine
Quelle: www.iswaf.de, https://itstartedwithafight.de/2019/05/23/so-geht-radschnellweg/
“Frankfurter Hüte”
Quelle: Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0
“Darmstädter Nippel”
Quelle: David Grünewald, Radentscheid Darmstadt; Twitter
Reflektorbaken
Quelle: Dirk Schmidt, CC0 1.0
Schöne Zusammenstellung. Eine kleine Anmerkung: Hochbordradwege benötigen nicht zwangsläufig Rampen. Viel besser ist es, sie in gleicher Höhe über Nebenstraßen zu führen, und den querenden Verkehr über Rampen zu führen. Das verdeutlicht auch allen Beteiligten die Vorfahrtsregelung.
Danke für die Anmerkung. In der Tat, es wäre schon ein großer Fortschritt, Radwege ununterbrochen und höhengleich zu gestalten. Bei neuen Radwegen will die Stadt Braunschweig das (zumindest was die Einmündungen von Nebenstraßen angeht) auch machen. Einfahrten sind aber noch ein Problem, das selbst bei Deckensanierungen nicht angefasst wird. Da gibts dann einen erneuerten, ebenen Radweg mit Huckelpflaster zwischendurch. Die Stadt verweist da auf die Zuständigkeit der Anlieger (in Niedersachsen zumindest), wir haben da mal ein Umbauprogramm für angeregt.
An Kreuzungen hilft das leider auch nicht, da braucht es die Rampen dann doch.