Allgemeine Fragen zum Radentscheid
Fahrräder sind das moderne urbane Transportmittel schlechthin: Sie produzieren 0 Gramm C02, Feinstaub oder Stickoxide, sind sehr leise und brauchen wenig Platz. Fahrradfahren ist preiswert, macht Spaß und man tut nebenbei noch etwas für seine Gesundheit – und die der anderen. Außerdem stellt es eine wesentlich kleinere Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer dar als der motorisierte Verkehr.
Im Sommer 2016 begann in Berlin die Unterschriftensammlung für das „Volksbegehren Fahrrad“. Kritiker sahen in dem ambitionierten 10 Punkte Plan eine Benachteiligung anderer Verkehrsformen und sahen das Scheitern voraus. Doch überraschenderweise war die Unterschriftensammlung in der “Auto Stadt Berlin” ein voller Erfolg: Statt der erforderlichen 20.000 Unterschriften wurden mehr als 100.000 Unterschriften eingesammelt – und das innerhalb von dreieinhalb Wochen statt in 6 Monaten. Die 10 Ziele wurden am 28.06.2018 vom Berliner Senat als Berliner Mobilitätsgesetz weitestgehend umgesetzt.[1]
Daraufhin haben sich in zahlreichen weiteren deutschen Großstädten Initiatiativen für einen Radentscheid gegründet – frei nach dem Motto: “Nichts ist mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist.“
Quellen:
[1] [https://de.m.wikipedia.org/wiki/Initiative_Volksentscheid_Fahrrad]
Die Umsetzung des Radentscheides erfordert anhaltende Investitionen, das ist richtig. Wir glauben jedoch, dass diese gerechtfertigt sind.
Es gibt große Fördertöpfe des Bundes, die man nutzen kann, um Baumaßnahmen für die Stadt stark zu vergünstigen. Für die Jahre 2020-2023 stehen nach einer Aufstockung im Zuge der Klimaziele-Diskussion nun insgesamt 1,4 Milliarden Euro an Bundesmitteln zur Verfügung.
Hamburg beispielsweise finanziert den groß angelegten Aufbau seines Veloroutennetzes zeitweise zu 90 % (!) aus Bundesmitteln (Stand 2018 [1]). Das bedeutet, jeder eingesetzte Euro kostete die Stadt nur 10 Cent (im Falle von Hamburg jedoch zum Teil verfehlt ausgegeben, nämlich für Radfahrstreifen statt für baulich separierte Radwege). Zu dem 2017 ursprünglich eingeplanten Budget von 5 Millionen Euro sagte der Bund von Anfang an 30 Millionen Euro zu.
Mit dem Stadtbahnprojekt werden nun auch viele neue Kilometer Radwege gebaut. Hier kann der Ausbaustandard an vielen Stellen mit begrenztem Mehraufwand auf Radentscheid-Standard angehoben werden, insbesondere bei den noch in Arbeit befindlichen und den noch nicht begonnenen Planungen.
Hinzu kommt, dass jeder gefahrene Fahrrad-Kilometer einen volkswirtschaftlichen Nutzen hat: Der gesamtgesellschaftliche Vorteil wird auf etwa 30 Cent durch eingesparte Gesundheitskosten beziffert. Jeder Auto-Kilometer hingegen kostet die Gesellschaft 27 Cent (Folgekosten für Immissionen, Infrastruktur, etc.) zusätzlich zu den privaten Kosten für Anschaffung, Betrieb und Parken.
Quellen:
[1] https://docplayer.org/169682344-Fortschrittsbericht-2018-buendnis-fuer-den-radverkehr-radverkehrsstrategie-fuer-hamburg.html S. 89
Wie viel Geld in Braunschweig tatsächlich für den Radverkehr ausgegeben wird, lässt wegen verschiedener, seperater und z.T. nicht klar dem Radverkehr zuzuordnenden Haushaltstitel nur in Näherung feststellen.
Einen Anhaltspunkt bieten offzielle Zahlen der Stadt, nach denen zwischen 2007 und 2013 im Durchschnitt 5,27€ pro Einwohner und Jahr ausgegeben wurde. Wie diese Zahl einzuordnen ist, wird im Vergleich mit Städten deutlich, welche den Radverkehr zielstrebig fördern, wie Amsterdam (11€), Utrecht (132€), Kopenhagen (35€), Oslo (70€) [1].
Auch der Nationale Radverkehrsplan 2020 der Bundesregierung empfiehlt höhere Ausgaben. Für sog. Aufsteiger-Städte werden 13-18 €/Jahr angesetzt, für Vorreiter-Städte sogar 18-19 €/Jahr.
Quellen:
[1] Spiegel Online – Deutsche Städte investieren nur wenig in sichere Radwege
Es gibt viele Menschen, die Rad fahren möchten, sich jedoch bisher nicht trauen, da die Radwege oft unsicher oder nicht vorhanden sind. Ältere Menschen und Kinder beispielsweise könnten sorgloser Fahrrad fahren, wenn der Radentscheid Braunschweig erfolgreich ist und Braunschweig sichere und schnelle Fahrradwege bekommt. Beispiele in anderen Städten wie Amsterdam, New York, Barcelona oder Kopenhagen haben bereits gezeigt, dass der Ausbau der Infrastruktur für Fahrradverkehr die Unfallzahlen deutlich reduziert und gleichzeitig zu einer Zunahme des Radverkehrs führt. Deswegen wollen wir hier ansetzen und so mehr Menschen sicheres Fahrradfahren ermöglichen.
Zur Zeit wird nicht das Rad, sondern das Kfz massiv bevorzugt. Der Radentscheid Braunschweig möchte dafür sorgen, dass das Fahrrad einen angemessenen Platz im Verkehrsraum der Stadt erhält, also sichere und schnelle Wege, auf denen alle Fahrrad fahren können. Derzeit wird dem Fahrrad nur ein sehr kleiner Teil der Verkehrsflächen zugebilligt. In Berlin sind das laut einer Studie ca. 3 %. Es ist davon auszugehen, dass dieser Anteil in Braunschweig ähnlich ist. Dieses Verhältnis ist nicht mehr zeitgemäß und eine bis heute nachwirkende Folge der autozentrierten Stadtplanung aus den 50er-Jahren. Moderne Stadtplanung in einer wachsenden Stadt wie Braunschweig muss das Fahrrad als wichtiges Verkehrsmittel berücksichtigen und ein gutes separates Wegenetz zur Verfügung stellen.
Das Fahrrad ist ein Verkehrsmittel für Jung und Alt. Der Radverkehrsanteil in Braunschweig liegt mittlerweile bei rund 20%[1] – daher kann man es getrost als Massenverkehrsmittel bezeichnen. Es steht Menschen jeden Alters und jeden Einkommens zur Verfügung. Laut einer repräsentativen Umweltbewusstseinsstudie des Umweltbundesamtes möchten 82 % der Deutschen weniger Pkw-Verkehr in den Städten und wünschen sich, Ihre Ziele mit dem Fahrrad erreichen zu können.
Quellen:
[1] Über den Radverkehrsanteil in Braunschweig (“Modal Split”) liegen leider nur sehr lückenhafte Daten vor, deren Erhebungsmethodik zum Teil auch kritisiert wurde:
2004: 15% http://www.epomm.eu/tems – ursprüngliche Quelle: TU Braunschweig
2010: 21%: https://www.braunschweig.de/leben/stadtplan_verkehr/radverkehr/03-Radverkehr-Braunschweig.pdf
2016: 23,8%: Nur die Bewohner Braunschweig, werktags. Grafik mit allen Verkehrsträgern: https://www.braunschweig.de/leben/soziales/inklusion/18-08544_BV_-_Beschluss_ISEK_2030.pdf
Alle Verkehrsmittel sollen ihren Platz haben in Braunschweig, denn es gibt unterschiedliche Gründe für die individuelle Wahl jedes Einzelnen. Aber ÖPNV, Fahrrad und Fußverkehr fördern das Wohl aller Menschen in der Stadt: Sie schonen die Umwelt, sorgen für bessere Luft, weniger Lärm und beleben den öffentlichen Raum. So wird die Stadt lebenswerter, sicherer, ruhiger und gesünder. Das ist im Interesse aller Bürger.
Auch Autofahrer könnten profitieren: Bessere Verkehrsbedingungen für das Fahrrad ermöglicht mehr Menschen, das Fahrrad zu benutzen. Und wenn Strecken mit dem Rad zurückgelegt werden, bleibt auf den Straßen mehr Platz für die, die auf ihr Auto angewiesen sind. Das ist keine bloße Behauptung, es wirkt: Beispielsweise ist der Ausbau der Radschnellwege in den Niederlanden Teil des dortigen Anti-Stau-Programmes “Fiets filevrij” (Fahr staufrei Rad) [1].
Quellen:
[1] Forschung Radverkehr international I-4/2010
In Amsterdam oder Kopenhagen, wo die Bedingungen für den Radverkehr besser sind, findet man unter den RadfahrerInnen sogar mehrheitlich Frauen, viele Kinder und Senioren. In Großbritannien hingegen ist die Gruppe der RadfahrerInnen überwiegend männlich und jung, während viele Frauen und ältere Menschen sich laut Umfragen aufgrund der gefährlichen Situationen, denen sie ausgesetzt sind, nicht trauen das Rad zu benutzen. Sichere Radwege bieten auch körperlich Behinderten die Möglichkeit, sich selbstständig und sicher mithilfe von angepassten Fahrzeugen auf dem Radweg fortzubewegen. Auch für Lastenräder, die als Familienfahrzeug für Familien mit kleinen Kindern dienen, ist genügend Platz. Wir möchten also, dass Rad fahren in Braunschweig für alle möglich wird – unabhängig von Geschlecht, Alter und Kondition. Jeder sollte sich auf allen Straßen sicher fühlen.
Einige der Fragen und auch Teile der Antworten stammen vom Volksentscheid Fahrrad Berlin: https://volksentscheid-fahrrad.de/de/faqs/