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Pressemitteilung: 1 Jahr Ratsbeschluss zum Radentscheid

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Resümee der Fahrrad- und Mobilitätsverbände: Mehr Tempo nötig

Braunschweig, 16. Juli 2021 

Vor einem Jahr hat der Rat der Stadt Braunschweig in Reaktion auf das Bürgerbegehren „Radentscheid Braunschweig“ einen massiven Ausbau des Radverkehrs bis zum Jahr 2030 beschlossen.  

In einer ersten Bilanz zum Stand der Umsetzung des Beschlusses kommen die Braunschweiger Fahrrad- und Mobilitätsverbände zu der Einschätzung, dass es an Tempo mangelt und bauliche Verbesserungen zwar geplant, aber bisher ausgeblieben sind. 

„Um den Zielmarken des Ratsbeschlusses gerecht zu werden sind aus unserer Sicht neue Ansätze und eine deutliche Personalaufstockung im Radverkehr notwendig. Uns ist klar, die Umsetzung bedeutet Arbeit, aber sie ist beschlossen und nun braucht es ein kräftiges Projektteam aus engagierten Radverkehrs-Planer*innen die sich speziell auf diese Themen konzentrieren können und was wegschaffen.“ erklärt Lars Christian Lund, ein Sprecher der Initiative Fahrradstadt.  

Susanne Schroth, Vorsitzende des ADFC Braunschweig ergänzt: „An Fördergeld für Radinfrastruktur gibt es derzeit keinen Mangel. Über Programme wie ‚Stadt und Land‘ zahlt die Stadt pro Euro Baukosten nur 20 bis 25 Cent selbst, das sind sehr hohe Förderquoten. Die Planungen müssen allerdings durch die Stadt Braunschweig ausgeführt werden. Wir würden uns auch kurzfristig umsetzbare Maßnahmen, wie z.B.  Pop-Up-Bikelanes wünschen.“ 

Bürgerbegehren „Radentscheid“ hat die politische Landschaft verändert 

Kern des Ratsbeschlusses vom 14.7.2020 ist ein Ziele- und Maßnahmenkatalog mit 29 bis zum Jahr 2030 umzusetzenden Maßnahmen, der in einem Dialog zwischen den Verbänden ADFC, 
Braunschweiger Forum, Initiative Fahrradstadt Braunschweig, MoVeBs und VCD mit den Fraktionen von SPD und Grünen erarbeitet wurde. Im Stadtrat wurde der interfraktionelle Antrag mit zusätzlichen Stimmen von Die Linke, BIBS und P² verabschiedet. Festzustellen ist, dass alle fünf genannten Fraktionen seitdem fortgesetzt mit verschiedenen Anträgen zum Radverkehr auf Umsetzung dringen, insbesondere bei den Themen Velorouten, Haushalt und Personal. 

Was wurde bereits umgesetzt? 

In Planungen wie beispielsweise den Stadtbahnstrecken nach Volkmarode und Rautheim sowie beim Baugebiet Wenden-West wurden Radwege teilweise auf das neue Standardmaß von 2,30 m verbreitert, womit bequemes Nebeneinanderfahren oder Überholen möglich sein wird. Zudem hat die Unfallkommission kürzlich ihren ersten Bericht zum Radverkehr vorgelegt, sodass Bürger*innen sich selbst ein Bild machen können. Der Bericht soll auf der Website der Stadt erscheinen. 

Beim Thema Velorouten gab es im Juni zwei entscheidende politische Weichenstellungen. Erfreulicherweise hat eine fahrradfreundliche Ratsmehrheit auf einen konsequenten, höheren Qualitätsstandard bestanden, der sich am Velorouten-Konzept der Verbände orientiert. Wiederum auf politisches Drängen wurde die Planung für die Pilot-Veloroute eingeleitet. Verlaufen soll sie vom Schlossplatz über die Helmstedter Straße bis zum Stadtrand mit einem Abzweig nach Rautheim. 

Veränderte Priorisierung noch nicht erkennbar 

Jens Schütte, Leiter des AK Verkehr beim ADFC, stellt fest: „Nach einem Jahr Ratsbeschluss hätten wir alle mit Sicherheit mehr erwartet, vor allem in der Umsetzung. Notwendig wären auch transparente Projektzeitpläne. Zurzeit ist niemandem klar, was wann mit welcher Priorität gemacht werden soll. Das wäre aber wichtig, damit der Stadtrat in die Lage versetzt wird, gegebenenfalls nachzusteuern und Projekte zu beschleunigen.“ 

Paul Kleinherne von der Initiative „Radweg jetzt – Völkenrode“ ergänzt: „Immer wieder wird Personalmangel als Problem genannt. Für einzelne Projekte könnte man auch Fremdfirmen beauftragen. Auch Studenten der Uni könnten für ihre Master- oder Bachelorarbeit eingebunden werden, möglicherweise gewinnt die Stadt dadurch sogar neue Mitarbeiter.“ 

Fahrt mit angezogener Handbremse – zu wenig Radverkehrsplaner*innen bei der Stadt 

Ein Hauptproblem bei der Umsetzung liegt nach Einschätzung der Rad- und Mobilitätsverbände darin, dass die Stadt nach wie vor zu wenig Radverkehrs-Planer*innen hat. Im Stellenplan für dieses Jahr sind zwar bereits 4 neue Stellen vorgesehen. Von den zur Umsetzung des ursprünglichen Bürgerbegehrens laut städtischem Gutachten notwendigen 20 Planer*innen ist diese Zahl jedoch noch weit entfernt. Selbst für einen deutlich geringen Maßnahmenumfang als den beschlossenen hatte die Stadt mit zumindest 10 zusätzlichen Planstellen kalkuliert. 

Wenn der Ziele- und Maßnahmenkatalog bis 2030 erfolgreich realisiert werden soll, muss schnell eine zugkräftige städtische Radverkehrsabteilung mit effizienten Strukturen und flachen Hierarchien aufgebaut werden. 9 Jahre sind heutzutage eine kurze Zeit bei öffentlichen Bauprojekten. Damit bis 2023 nicht nur die sogenannte Rahmenplanung fertiggestellt ist, sondern auch konkrete Baumaßnahmen mit entsprechendem Vorlauf vorangetrieben und kurzfristige Maßnahmen realisiert werden können, müssen jetzt die richtigen Weichen gestellt werden.